Heilung einer Besessenen
Majolika-Tafel um 1700

Lange Zeit galt im Mittelalter die Epilepsie als Infektionskrankheit, die auch mit der Pest in Zusammenhang stand. Die in Italien sehr verehrte Heilige Bibiana soll bei ihrem Martyrium mit Pest- und Fallsucht-Kranken zusammengesperrt worden sein, damit sie sich anstecke.

Folgender Text stammt aus einer Predigt von Berthold von Regensburg aus dem Jahre 1272:

Daz ist uzstzikeit und ist diu vallende suht... Unde swenne er alsó hin vellet unde lît unde schûmet, sô hüetet iuch vor im als liep in lîp si, daz sich ieman nâhen zuo im habe, wan im gêt ein sô griulich âtem ûz dem munde, daz er vil lîhte den selben siechtuom gewünne, swen der âtem in den munt kaeme. Unde dâ von sô hüetet iuch das ir im iht nâhen komet innen des, daz in der siechtuom an gêt.

(= etwa: "Und wenn er hinfällt und schäumet, so hütet euch vor ihm, so lieb euch euer Leib ist, dass jemand in seine Nähe komme, denn ihm geht ein so gräulicher Atem aus dem Munde, dass er sehr leicht dieselbe Krankheit bekommen kann, wenn der Atem in seinen Mund geht. Drum hütet euch, dass ihr ihm nicht nahe kommt, währenddessen ihn die Krankheit befällt.")

Heilung einer Besessenen
Majolika-Tafel um 1700

Das P.G.R. unter dem runden Madonnenbild steht für "per grazia ricevuta" = "für die erhaltene Gnade", d.h. das Votiv-Bild wurde als Dank für die gewährte Heilung zum Wallfahrtsort gebracht.

Ob es sich bei der dargestellten Frau tatsächlich um eine Epilepsiekranke handelt, lässt sich nicht sicher entscheiden. In den vergangenen Jahrhunderten wurde nicht immer klar zwischen "Besessenheit" (d.h. psychiatrischen Krankheiten oder geistiger Behinderung) und Epilepsie unterschieden - zumal geistige Behinderung und Epilepsie nicht selten kombiniert auftraten.

(Nach modernen Statistiken leiden etwa 25% aller geistig Behinderten zusätzlich an einer Epilepsie. Begründung: Die Schädigung, die ursächlich für die geistige Behinderung verantwortlich ist, kann auch eine Epilepsie zur Folge haben.)