Fjodor Michailowitsch Dostojewskij Deutsches Epilepsiemuseum Kork www.epilepsiemuseum.de |
Ohne Zweifel ist Fjodor Michailowitsch Dostojewskij der bekannteste unter den "prominenten Epilepsiekranken". Das Leiden Dostojewskijs ist vielen Menschen als Faktum bekannt, die ansonsten kaum Berührungspunkte mit der Krankheit Epilepsie haben - ja, für manche wird die Lektüre Dostojewskijscher Werke die erste intensive Begegnung mit Personen sein, die an Epilepsie leiden. Denn wie kaum ein anderer hat Dostojewskij sein eigenes Krankheitsschicksal in seine täglich Arbeit - in sein schriftstellerisches Werk also - einbezogen. Zahlreichen Personen seiner Erzählungen und Romane hat der russische Dichter eine Epilepsie verliehen, von denen die bekannteste und für die eigene Krankheit Dostojewskijs aussagekräftigste zweifellos die des Fürsten Myschkin in dem Roman "Der Idiot" ist. |
Es darf dabei mit Sicherheit angenommen werden, dass zahlreiche Anfallsschilderungen, die Dostojewskij in seinen Werken gibt - die crescendo-artige Ankündigung der Anfälle, ihre beeindruckende Symptomatik, ihre dramatischen Auswirkungen auf die Umgebung des Anfallskranken - dem eigenen Erleben des Dichters entstammen. Die Epilepsie Dostojewskijs begann - nach eigener Aussage - in einer Osternacht während der Zeit seiner Verbannung (wegen Kontakten zu revolutionären Kreisen wurde der Dichter 1850 zum Tode verurteilt, aber unmittelbar vor Vollstreckung des Urteils zu vierjähriger Verbannung nach Sibirien begnadigt), also etwa im Alter von 30 Jahren. |
Das Anfallsgeschehen äußerte sich offenbar in dramatischen Grand-mal-Anfällen: "Er stockte einen Augenblick, als suche er nach Worten, und öffnete schon den Mund... Plötzlich ertönte aus seinem weitgeöffneten Mund ein merkwürdiger, langgezogener, sinnloser Schrei, und er fiel ohnmächtig zu Boden. [...] Unter Krämpfen wand sich sein Körper und zuckte zusammen, in den Mundwinkeln zeigte sich Schaum." Wahrscheinlich handelte es sich bei diesen ausgestalteten Anfällen um sekundär generalisierte Grand-mal-Anfälle, denen primär ein fokales Geschehen zugrunde lag; denn Dostojewskijs Anfällen ging meist eine ausgeprägte Aura voraus, die offensichtlich mit einem Glücksgefühl einherging. |
"Ihr seid alle gesunde Menschen", sagte Dostojewskij einmal in einem Gespräch, "aber ihr ahnt nicht, was für ein Glück jenes Glück ist, das wir Epileptiker in der Sekunde vor dem Anfall empfinden. [...] Ich weiß nicht, ob diese Glückseligkeit Sekunden oder Stunden oder Monate währt, aber glauben sie mir aufs Wort, alle Freuden, die das Leben geben kann, würde ich dafür nicht eintauschen." Diese euphorischen Gefühle, dieses "furchtbare Gnadengeschenk seiner Epilepsie" (Reinhold Schneider) lässt Dostojewskij in noch ausführlicheren Beschreibungen den Fürsten Myschkin, eine offensichtlich autobiographische Figur, empfinden. |
Zweifellos hat die Selbstwahrnehmung seiner Epilepsie den Dichter Dostojewskij ganz entscheidend geprägt, sein schriftstellerisches Werk in vielen Bereichen beeinflusst und ihn Sichtweisen und Erkenntnisse finden lassen, die ohne seine Krankheit in diesem Maße wohl nicht möglich gewesen wären. Vor diesem Hintergrund hat die folgende, etwas pointierte Aussage sicherlich ihre Berechtigung: |